Nun, wenn ich an Ostern denke, geht es für mich zuallererst um Jesus. Seine Geschichte wird erzählt, entfaltet in der Karwoche, in fünf Feiertagen.

Am Palmsonntag wird erzählt, wie er nach Jerusalem kommt und als König begrüßt wird. Er reitet auf einem Esel, nicht auf dem Pferd. Das Pferd ist das Reittier der Mächtigen, es ist zugleich der Motor der damaligen Panzer, der Streitwagen. Jesus ist nicht mächtig, kein Kriegsherr. Es nennt sich in seiner Sprache „Menschensohn“, auf deutsch: Herr Jedermann.

Als Herr Jedermann feiert er mit seinen Freunden das letzte Mal Abendmahl und wäscht ihnen die Füße – der Herr als Diener. So feiern wir am Gründonnerstag.

Karfreitag dann seine Kreuzigung. Wie schnell die Stimmung kippt, aus Jubel Mord wird? Die Warum-Frage entsteht. Und Jesus spricht sie am Kreuz aus: „Warum hast du mich verlassen, Gott?“.

Am Karsamstag dann die Ruhe – die des Grabes und des Abschieds. Die Jünger haben Angst: “Sind wir die nächsten, die man holt?“ Und sie stehen vor dem Scheitern ihrer Träume und Hoffnungen.

Und dann Ostern: ein leeres Grab und immer wieder die Erfahrung, dass der, der getötet wurde, Menschen anspricht.

Im Zentrum liegt für mich der Karfreitag. In unserer Kultur – und für manchen ganz ärgerlich – ist er ein stiller Feiertag. Kein öffentlicher Tanz, keine lauten Veranstaltungen, kein Kommerz – nichts von dem, was unsere Kultur heute ausmacht. Der Tag ist still, weil das, was der Tod Jesu bedeutet, Raum und Stille zum Nachdenken und Feiern braucht.

Warum stirbt Jesus? Die Tradition beantwortet das mit einer Formel, weil ihr andere Worte fehlen: „Jesus stirbt für uns und unsere Sünden“. Es lässt sich kaum erklären – höchstens nach-denken.

Die meisten von uns leben mit der Erfahrung, dass sie im Leben andere verletzen. Oder dass wir immer auf Kosten anderer leben. Unser Leben ist so. Meine Mutter hat für mich gesorgt und dadurch andere Pläne nicht verwirklicht. Meine Frau hat sich für mich entschieden. Dadurch kann sie bestimmte Träume nicht mehr leben. Ich lebe davon, dass andere für mich da sind. Um diese Grunderfahrung geht es am Karfreitag. Dass da einer für mich ist. Dass da einer gibt, was ich niemals bezahlen kann. Er zeigt, dass ich angenommen und geliebt bin – selbst dann, wenn ich mich unerträglich finde. Ich bin geliebt von ihm, wenn mich kein anderer mehr liebt.

Es fällt mir schwer das zu erklären, ich kann es eher feiern. Ich kann wie Jesu Jünger beim Abendmahl sitzen. Als er sagt: „Einer wird mich verraten!“, fragen alle: „Ich?“. Judas verrät, Petrus verleugnet, andere laufen davon. Ich singe: „Ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden, wie Sand am Meer“.

Jesus sagt mir, dass er mich unendlich wert schätzt, mehr als sein eigenes Leben. Und er macht mich solidarisch, mit all den anderen Versagern. Allem, was Menschen über Kirche und Moral denken, zum Trotz. Ein Christ ist kein Moralist, sondern einer, der keinen mahnenden Zeigefinger hat, sondern ausgebreitete Arme. Er kommt ja selbst oft genug nicht klar mit dem Leben.

Und Ostern – nun, eigentlich ist es – wie jedes Wunder – überflüssig. Haben die Menschen am Karfreitag ihr Urteil über Jesus gesprochen, so spricht an Ostern Gott sein Urteil über Jesus. Haben die Menschen den Tod gewollt, will Gott das Leben. Und zwar das Leben Jesu, dessen, der seinen Weg konsequent gegangen ist. Das ist Ostern für mich.

 Ihnen einen herzlichen Gruß und frohe Ostern

Pfarrer Maik Fleck