Dass die Zahl der Menschen weiter steigen würde, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, war in diesem Jahr allen deutlich. Die Kommunen ließen erkennen, das sie Wohnungen für Flüchtlinge suchen. In mehreren Städten oder Gemeinden wurde neue Gemeinschaftsunterkünfte geschaffen.

Aber im Herbst kam plötzlich ein ganz neue Situation hinzu: Innerhalb weniger Wochen wurden drei Erstaufnahme-Heime in Bad Salzuflen (Sophienhaus), in Oerlinghausen (ehemalige Hellweg-Klinik) und schließlich auch in Detmold (Adenauerstraße) geschaffen. Mit jeweils nur etwa 2 Tagen „Vorwarnzeit“ kamen damit knapp 1000 Geflüchtete neu nach Lippe, davon etwa 370 nach Detmold. In Detmold werden hierfür mehrere frühere britische Wohnblocks genutzt, die leer standen und sich im Besitz der Bundesrepublik Deutschland befinden. Damit bildet Lippe einen gewissen Schwerpunkt der Erstaufnahme in NRW.

Erstaufnahme im Gegenüber zur dauerhaften Unterbringung

Wichtig ist zu unterscheiden: Detmolder Gebäude wie das Flüchtlingswohnheim in der Heldmanstraße oder die Wohnungen am Poggenpohl dienen als Gemeinschaftsunterkünfte für dauerhaft hier lebende Flüchtlinge. In ihnen hat die Stadt Detmold etwa die Hälfte der derzeit gut 300 Asylbewerber/innen untergebracht, die anderen wohnen in einzelnen Wohnungen über das Stadtgebiet verteilt.

In Einrichtungen wie der Adenauerstraße finden dagegen Menschen ihre allererste Unterkunft, die gerade erst nach Deutschland eingereist sind. Sie bleiben hier bis zur ersten Registrierung als Asylbewerber/innen und bis sie auf die Kommunen weiter verteilt werden. Das kann mehrere Wochen, vielleicht wenige Monate dauern.

Die Unterkunft in der Adenauerstraße wird vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen betrieben. Im Gegensatz zu Bad Salzuflen und Oerlinghausen soll die Detmolder Einrichtung aber nur für eine Übergangszeit existieren und wird wohl im nächsten Jahr wieder schließen. Entsprechend sind die Menschen nach den Vorgaben des Landes leider nur unter sehr notfallmäßigen Bedingungen untergebracht: Bis zu 18 Menschen schlafen auf Feldbetten in einer Wohnung. Es gibt dort keine funktionierenden Küchen oder Aufenthaltsräume.

Berührendes Engagement der Bürgerschaft

So unkoordiniert und schlecht vorbereitet sich die Landesverwaltung bei diesen eigentlich erwartbaren Flüchtlingszahlen zeigte, so engagiert reagierte die Bürgergesellschaft. Mich hat es sehr bewegt, wie innerhalb weniger Stunden Kleiderspenden angeliefert wurden und viele Menschen auch ehrenamtlich mit anpackten: Die Kleidung wurde sortiert, transportiert und an die oft sehr unzureichend bekleideten Geflüchteten verteilt. Menschen kamen zur Adenauerstraße, brachten Kuchen oder Straßenkreide für die Kinder mit. Auch die Stadt Detmold, obwohl gar nicht zuständig, half. Und der Arbeiter-Samariter-Bund arbeitete hoch motiviert. So konnte das Schlimmste abgewendet werden, auch wenn z.B. die medizinische Versorgung erst langsam anlief.

Inzwischen stehen aber das frühere NAAFI-Gebäude und das frühere „medical center“ der Briten an der Siegfriedstraße zur Verfügung. Dort gibt es drei Mahlzeiten am Tag in einer improvisierten Mensa. Ebenfalls werden bei Erscheinen dieses Gemeindebriefes Räume für Kinderprogramme und eine Teestube eingerichtet worden sein. Eine Kleiderkammer läuft in geordneten Bahnen. Alle Angekommenen sind medizinisch untersucht, es gibt eine Arztsprechstunde, zwei Mitarbeiterinnen für die soziale Betreuung sind angestellt worden.

Was tut die evangelische Kirche?

Neben vielen einzelnen Ehrenamtlichen engagiert sich auch ein Ökumenisches Aktionsbündnis aus landeskirchlichen, freikirchlichen und römisch-katholischen Kirchengemeinden: Auch die Kirchengemeinden Detmold-West und -Ost sind dabei. Das christliche Bündnis trägt vor allem zum Programm für Kinder, Sportmöglichkeiten und Deutschunterricht bei.

Die Lippische Landeskirche schließlich beschloss auf ihrer Herbstsynode spontan einen einmaligen „Hilfsfonds Erstaufnahme“ mit 50.000 € . Hieraus soll etwas ganz Entscheidendes finanziert werden: Die Asylverfahrensberatung in den drei lippischen Erstaufnahme-Einrichtungen. Denn neben der Versorgung und sozialen Betreuung ist extrem wichtig, dass die Geflüchteten schnell und gut über das Asylverfahren informiert werden und dass sie erfahren, worauf sie dabei achten müssen.

Schon die ersten Beratungsstunden zeigen, wie intensiv und oft auch belastend diese Beratungsgespräche sind, da viele Menschen auf ihrer Flucht Schlimmes erlebt haben, was nun zur Sprache kommen muss. In Detmold geschieht diese Verfahrensberatung mithilfe der landeskirchlichen Mittel durch die Flüchtlingshilfe Lippe e.V., deren Co-Vorsitzender ich bin.

Was können Einzelne noch tun?

Noch ist unklar, wie lange genau die Einrichtung in der Adenauerstraße existieren wird. Es wird vorerst weiterhin Wechsel geben. Und so werden auch Kleiderspenden immer wieder mal neu benötigt. Was genau, das erfragt man am besten an der Kleiderstube im Naafi-Gebäude. Dort können sich auch Menschen melden, die in der Kleiderstube mithelfen wollen.

Wenn Sie ehrenamtlich beim Kinderprogramm oder in der Teestube mitarbeiten wollen, wenden Sie sich bitte an Ihre Kirchengemeinde, die hier auch engagiert ist. Und schließlich wurde ein Spendenkonto bei der Peter-Gläsel-Stiftung für die Aktivitäten der Gemeinden eingerichtet.

Es ist ein schönes und menschliches Zeichen, dass gut 20 Jahre nach brennenden Asylbewerberheimen wie z.B. 1991 in Hoyerswerda, so viel Solidarität mit Geflüchteten gezeigt wird. Ich wünsche mir sehr, dass dies auch weiterhin der Fall ist, auch wenn die Adenauerstraße wieder geschlossen sein wird. Denn andere Flüchtlinge werden dauerhaft in Detmold bleiben.

Ihr Pfr. Dieter Bökemeier
Flüchtlingsbeauftragter der Lippischen Landeskirche