Rohrfedersgraffito auf Glas (100 x 70)

Fenster sind Öffnungen, sie lassen Licht und Blicke von außen nach innen und umgekehrt zu, sie erhellen den Raum. So will auch diese Arbeit Durchlässigkeit bewahren.
Fällt durch das Fenster Licht nach außen, beginnen die Ritzungen zu leuchten. Bildet der Raum einen dunklen Hintergrund, treten Schwarz- Weiss-Kontraste hervor. Vielleicht sehen wir schemenhaft eine Bewegung, einen Menschen hinter dem Werk.

Was sehe ich durch dieses Fenster? Wie verändert das „Dahinter“ das Gesehene?

So kann auch ein Text durchlässig sein oder werden, wenn wir uns über die vordergründige „Story“ hinaus auf den Inhalt einlassen, wenn wir Informationen von „Insidern“ bekommen oder jemand Licht in die Sache bringt.

Was bleibt im Text dunkel, was wird hervorgehoben? Was leuchtet und spricht mich an? Was verändert sich, wenn ich den Hintergrund kenne? Wer sind die Menschen dahinter?

Die zwölf Stämme Israels – unterschiedlich in ihrer Art, gezeichnet durch die Entbehrungen auf der Wanderung aus Ägypten, bringen die Zeichen ihrer Macht, die Stäbe, vor die Stiftshütte.
Einer wird auserkoren indem er grünt, ein Stamm bekommt die Macht und damit die Verantwortung und Pflicht,

die Pflicht zu führen, ohne zu verführen, zu leiten, ohne zu verleiten,
zu ordnen ohne zu unterdrücken.

Schon zu biblischer Zeit eine Herausforderung. Daher findet sich in Pirke Avot 1,12 (Sprüche der Väter) aus dem Judentum der Satz: „Sei wie die Jünger Aarons und liebe den Frieden und strebe nach Eintracht, liebe die Menschen.“ – Eine Aufforderung, die angesichts aktueller -auch religiös motivierter- Konflikte ihre uneingeschränkte Gültigkeit hat.

Anne-Marie Koch