Ein Kommentar von Dr. Ekkehart Thießen

Merkwürdiges vollzieht sich in der deutschen Kommentarlandschaft: Nachdem sich jahrelang Spott und Häme über Hamburg und seine Elbphilharmonie ergossen: Baumängel, katastrophale Organisation, verschobene Eröffnungstermine, Kostenexplosion scheint sich jetzt alles ins Gegenteil zu verkehren: Man beglückwünscht Hamburg zu diesem mutigen, epochemachenden Kunstwerk der Architektur, vergleichbar nur noch mit dem Konzerthaus von Sidney, das eine ähnliche Baugeschichte hinter sich hat. Und hält das Ergebnis der Mühe und Kosten mehr als wert. Aber ist es das?

Ich erinnere mich an den evangelischen Kirchentag in Hamburg. Und an die Eröffnungsrede der Bischöfin Jepsen. Wie sie über die geteilte Gesellschaft sprach, von den wenigen, die ganz viel und den vielen, die fast nichts haben. Wie sie auf die Kinder verwies, die aufgrund des Geburtsfehlers armer Eltern wohl nie die Chance auf ein Musikinstrument geschweige denn regelmäßigen Musikunterricht haben würden. „Und dabei bauen wir doch eine Elbphilarmonie!“, so lauteten damals ihre Worte unter lautem Beifall der Zuhörenden.

Angesichts der seitdem unveränderten sozialen Verhältnisse (laut Armutsbericht sind unsere Reichen seitdem noch etwas reicher und die Armen noch etwas ärmer geworden) hinterlassen die heutigen Lobeshymnen einen schalen Nachgeschmack oder – um im musikalischen Bild zu bleiben – einen dissonanten Nachklang. Zudem muss man sich fragen, für wen das neue Gebäude gebaut wurde. Angesichts hoher Eintrittspreise und des gebotenen Programms dürfte auch hier die oberen Zehntausend unter sich bleiben. Allen andern bleibt das Staunen – von außen!

 

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